Dieser Dhammatalk, von Adam Mizner, wurde 2014 in englischer Sprache gehalten und aufgezeichnet. https://soundcloud.com/lokuttaradhamma/looking-at-no-thing-desana
Der Talk wurde von Jim Bayer transkribiert . Dieser Text wurde dann von Jos Reichenbach ins Deutsche übersetzt.
Adam Mizner hat explizit darum gebeten, dass das Jahr des Vortrags genannt wird, auch mit dem Hinweis, dass sich sein Wissen und seine Ansichten seitdem teilweise stark verändert haben. Nichtsdestotrotz sind diese Talks Gold wert und voller tiefer Einsichten.
Adam Mizner ist ein "senior lay disciple" von Luang Phor Jumnien in der Thai Forest Tradition des Theravada Buddhismus.
Looking at no Thing – Desana – Dhamma Talk
Im Zentrum aller spirituellen Praxis, im Zentrum aller spirituellen Philosophie, im Zentrum aller Religion steht die Frage: Wer bin ich, was bin ich, die Frage nach dem Spirit (dem geistlichen), die Frage nach dem Mind. Was ist es, das wir kultivieren? Was ist es, das wir zu klären versuchen? Was ist es, das wiedergeboren oder reinkarniert wird? So viele Menschen verstricken sich in zahllose Theorien, gehen in verschiedenen Philosophien auf und entwickeln Ansichten und Meinungen aus allen Richtungen, entwickeln einen Wald von Ansichten, ein Gewirr von Ansichten, verlieren sich in Ansichten. Wenn wir Ansichten ansammeln, sammeln wir unser Ego an, wir sammeln Selbstidentifikation. Wir identifizieren uns mit unseren Ansichten. Ich bin ein Buddhist, ich glaube an das. Ich bin Christ, ich glaube an den Heiligen Geist. Ich praktiziere Hinduismus, ich glaube an den hinduistischen Atman, an das Selbst. All diese Ansichten sammeln sich in unserem Geist an und erschaffen ein Selbst, und dann klammern wir uns an diese Ideen, identifizieren uns mit diesen Ideen, und diese Ideen schaffen direkt Leiden. Sie schaffen Leiden, weil niemand so denkt wie wir. Wir wollen, dass andere genauso denken wie wir, also sind wir erfreut, wenn sie es tun, und unzufrieden, wenn sie es nicht tun. Es ist nicht viel anders, als wenn man politische Ansichten hat: Man setzt sich zusammen und genießt ein nettes Abendessen, aber wenn die Diskussion in die Politik abgleitet, wird sie am Ende des Abends ungemütlich. Wenn die Diskussion auf die Idee des geistlichen (Spirit) oder des Selbst fällt, wird sie am Ende des Abends ungemütlich. Weil wir uns an unsere Sichtweise des Selbst und an unsere Sichtweise des geistlichen (Spirits) klammern. Aber warum tun wir das? Warum glauben wir, dass es so etwas geben muss?
Bei der Weisheit des Buddha, der Weisheit des Buddhismus, geht es nicht darum, Ideen zu sammeln, Ansichten zu sammeln, philosophische Standpunkte zu sammeln, Argumente zu verfeinern, Logik anzuwenden. Es geht um klares Sehen, darum, die Dinge so zu sehen, wie sie sind, hier und jetzt, in Wirklichkeit. Wenn man sieht, wie die Dinge sind, sieht man die Realität. Wenn wir die Realität sehen, machen wir uns keine Illusionen, wir lassen uns nicht von der Nicht-Realität täuschen. Die Menschen sagen oft, das Leben sei eine Illusion, eine Illusion, als ob es nicht real wäre. Das ist nicht ganz richtig. Das Leben ist keine Illusion, du bist da, ich bin hier, der Boden unter dir ist da, du kannst ihn fühlen. Es ist keine optische Täuschung. Aber wir werden dadurch getäuscht. Es ist keine Illusion, es ist eine Täuschung. Das Problem ist, dass wir uns von der Art und Weise, wie die Dinge sind, täuschen lassen und die Wahrheit über die Art und Weise, wie die Dinge sind, nicht sehen. Die Art und Weise, wie die Dinge sind, wird im Buddhismus „so“ (thus) genannt, einfach so wie es ist. (simply how it is). Als Buddha wird schlussendlich jemand beschrieben, der einfach gesehen hat, wie es ist. So wie es ist, es ist einfach so. (The way it is, it is simply thus.)
Im Kern der Sache haben wir also den Mind, oder den Spirit (Geist), oder den Wissenden. Aber was ist die Erfahrung davon? Nicht etwas, was wir in einem Buch lesen, nicht etwas, was der Lehrer sagt, nicht etwas, womit wir uns identifizieren. Wir setzen uns also hin und denken: Tief im Inneren habe ich einen göttlichen Funken, aufgrund dieses göttlichen Funkens weiß ich, dass ich ein Teil Gottes bin, also muss ich tief im Inneren gut sein, also ist es wirklich egal, was ich tue, letztendlich bin ich im Inneren immer noch göttlich. Oder vielleicht denken wir, dass ich tief im Inneren dunkel und verdreht bin. Vielleicht denken wir, dass es tief in unserem Inneren nichts gibt. All das sind nur Ansichten und Ideen. Keine davon zeigt uns, wie die Dinge sind. Sie alle greifen nur nach einem Konzept, halten an einem Konzept fest, verfangen sich in Ansichten, erschaffen ein Selbst, identifizieren sich mit einem Konzept, identifizieren sich mit einer Idee, identifizieren sich mit mentalen Formationen. Der göttliche Funke, den wir im Inneren sehen, ist also nicht wirklich der göttliche Funke, sondern eine mentale Formation, etwas, das im Geist erschaffen wurde. Je nach unserer kulturellen Konditionierung und unserer spirituellen Konditionierung sehen wir ihn auf diese Weise.
Die Herausforderung besteht darin, offen und ehrlich zu schauen. Wir schauen also nach innen. Niemand kann leugnen, dass es eine wissende Qualität gibt. Wir wissen, dass wir sitzen, wir wissen, dass wir atmen. Der Wissende ist da. Wir müssen den Wissenden nicht fabrizieren, wir müssen den Wissenden nicht etikettieren. Der Wissende muss nicht besonders, heilig, unheilig, dauerhaft, unbeständig oder sonst etwas sein. Er ist einfach, er ist so, wie er ist. Es gibt niemanden, der den Wissenden leugnen kann. Der tiefste Aspekt des Geistes ist diese wissende Qualität, die wir jñāna nennen. Wenn wir in Gedanken oder in der Gehirnaktivität gefangen sind, gibt es eine Bewegung, die wir mentale Formationen nennen. Wir denken an gestern, wir denken an heute Abend, wir denken an das Gespräch, wir denken an die Schmerzen im Knie, wir denken an unsere Körperhaltung, wir denken an die Temperatur, wir denken an „Ich bin sicher, dass es einen göttlichen Funken gibt“, wir denken an alles, was wir formulieren, was wir im Gehirn erschaffen. Während das geschieht, gibt es etwas, das weiß, dass das geschieht. Das, was weiß, ist der Wissende. Das Denken kann das Denken nicht sehen, der Wissende sieht das Denken. Wir können uns also alle darauf einigen, dass es einen Wissenden gibt.
Aber wenn wir nach innen schauen und versuchen, es zu finden. Wir schauen sehr genau hin, sagen wir, wir stellen uns vor, dass es im Herzen ist. Okay, es gibt ein Gefühl im Herzen, denn wo immer man hinschaut, gibt es ein Gefühl. Wo der Verstand hingeht, geht das Qi oder das Prana hin, und deshalb geht das Gefühl hin. Das Gefühl fließt also dorthin und du fängst an, ein bisschen begeistert zu sein: „Okay, ich finde den Wissenden.“ Dann schaut man genauer hin. Je sorgfältiger du schaust, desto weniger findest du. Wenn du genau genug hinsiehst, wirst du feststellen, dass du nichts findest, dass du kein Ding siehst. Dieses Nichts zu sehen, ist das, was wir sehen wollen. Also versuchen wir es vielleicht woanders. Wir versuchen es in der Mitte des Kopfes, vielleicht ist die Mitte des Kopfes dort, wo der Wissende lebt, vielleicht ist das die Heimat des Geistes. Vielleicht ist der Scheitel der Ort, an dem der Wissende wohnt, vielleicht ist das die Heimat des Geistes. Versuchen Sie es also und suchen Sie danach. Du nimmst nicht mein Wort dafür, noch irgendeinen heiligen Text, sondern du schaust nackt und ehrlich und versuchst, das Zuhause des Wissenden zu finden. Du tust es immer und immer wieder. In dem Moment, in dem du schaust, siehst du, dass da nichts Konkretes zu finden ist, es hat keine Form, es hat keinen Ort, es hat keine Gestalt. Es ist nichts da. Es ist eine unzweifelhafte Erfahrung, etwas, das im Hier und Jetzt erlebt werden kann, nicht etwas, über das wir uns eine Vorstellung machen müssen. Man muss es uns nicht sagen, wir können einfach hinschauen. Aber wenn wir denken: Tief im Inneren des Herzzentrums gibt es ein strahlendes Licht, dieses strahlende Licht hat 108 Lichtstränge, und im Inneren des Zentrums gibt es einen goldenen Buddha oder Mutter Maria oder was auch immer, dann müssen wir etwas erfinden, wir müssen etwas erschaffen und wir müssen etwas finden. Ihr seht nicht die Realität, ihr seht nur die Gehirnaktivität. Stattdessen schauen wir uns die Dinge an, wie sie sind, offen und klar, und schauen Sie selbst, was Sie finden können. Schauen Sie am Ende jeder Meditation oder zu einem beliebigen Zeitpunkt während einer Meditation einfach hin und versuchen Sie, den Wissenden zu finden. Stellen Sie zunächst sicher, dass Sie bemerken, dass es einen Wissenden gibt, denn Sie können den Wissenden nicht leugnen.
Wir haben etwas, das keinen Wissenden hat, es wird Leiche genannt. Wenn eine Leiche auf dem Boden liegt, weiß die Leiche nichts, sie erfährt nichts. Es ist der Wissende, der erfährt. Sie können also zu der Leiche gehen und sie mit einem Messer anstechen, und die Leiche reagiert nicht. Sie können die Leiche mit allen möglichen schrecklichen Dingen beschimpfen und sagen: „Herr Leiche, Ihr Teint ist schrecklich, er ist geschwollen, er ist aufgedunsen, es gibt eine Wassereinlagerung.“ Was auch immer. Sie können ihn treten, Sie können ihn ziehen. Die Leiche macht keine Erfahrungen. Und das Gehirn ist ein Teil der Leiche. Wir können sehen, dass das Gehirn nicht das ist, was weiß, das Gehirn ist das, was denkt. Ist das klar?
Der Wissende ist eigenständig. Der Wissende ist formlos. Je mehr wir hinschauen, desto mehr erkennen wir, dass er formlos ist. Und wie kann man formlos noch bezeichnen? Was ist formlos? Formlos ist leer, Leerheit. Es ist leer von Form. Wie dieser leere Raum um uns herum, er hat keine Form. Wo ist der leere Raum? Wenn du hier hinschaust, nein, er ist da. Je näher man hinschaut, desto mehr bewegt er sich. Wenn du denkst, dass du den Wissenden gefunden hast, zischt er ein wenig nach links oder rechts, nach oben oder unten, oder vielleicht hast du das Zentrum ausgemacht und es löst sich in nichts auf. Deine Erfahrung wird auf all diese Arten sein, und je tiefer du schaust, desto mehr wirst du die wahre Überzeugung haben, dass der Wissende Leere ist, dass er keine Form hat. Und doch weiß er.
Die Einheit dieser Eigenschaft des Wissens und der Leere, dieses Etwas, das leer ist, das formlos ist und dennoch weiß: Das nennen wir die Essenz des Geistes (Mind). Das ist jñāna. Diese Qualität ist die wichtigste Qualität in der gesamten Meditationspraxis. Sie ist etwas, das von Dauer ist. Wenn wir an unserer Meditation üben, sitzen wir da, wir atmen, wir beobachten den Atem, so dass der Geist oder das Gehirn - die niederen Aspekte des Geistes - sich selbst befehlen, nicht zu vergessen dass du einatmest, dass du ausatmest.
„Okay, ich atme ein, ich atme aus, ich atme ein, was gibt es zum Abendessen, ich atme aus.“ Es schweift ab. Aber dennoch gibt es ein Wissen, man weiß, dass man abschweift. Man weiß, wenn man nicht abschweift. Wir wissen, wenn es eine Gedankenbildung gibt, wir wissen, wenn es Gefühle gibt. Dieser Wissende ist also gleichzeitig überall und nirgends. Er kann den Schmerz in deinem Fuß spüren, er kann wissen, dass dein Meditationsobjekt entgleitet, er nimmt die Hintergrundgeräusche wahr, er spürt, wie du auf der Matte sitzt.
Der Wissende ist sowohl leer als auch wissend, beides gleichzeitig. Diese beiden Qualitäten nennen wir den mittleren Weg. Wenn er völlig leer wäre, leer wie der Raum, und nichts wüsste, dann gäbe es nichts für die Wiedergeburt. Es gäbe nichts, um zu erwachen, es gäbe keine Weisheitsqualitäten, es gäbe nur leeren, toten Raum. Je genauer wir hinschauen, desto mehr ähnelt es dem leeren, toten Raum, aber niemand kann die wissende Qualität leugnen, denn sie ist genau hier, genau jetzt, und unbestreitbar. Wir haben also eine Vereinigung dieser beiden Qualitäten, eine Vereinigung von Gegensätzen. Diese Vereinigung ist der Mittelweg zwischen den Extremen. Zu sagen, dass es nichts gibt, ist das Extrem der Annihilation (Nichtigkeit), wenn man stirbt, ist nichts da, es gibt keinen Wissenden, es gibt kein Wissen. Oder dass es einen Geist gibt, ein goldenes Licht, ein kleines Ich in dir, ein kleines Stück Gott oder wie immer du es nennen willst, etwas, das nicht leer ist, ist ein anderes Extrem, das Extrem der Existenz. Leeres Wissen ist der Mittelweg zwischen Existenz und Nicht-Existenz.
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An dieser Stelle sind wir bei etwa einem Viertel des Talks angelangt und finden hier einen Abschluss in Textform, damit der Blogbeitrag nicht zu lang wird.
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